Fitness und Reaktionsschnelligkeit sind gefragt
Doch es geht auch anders wie „Skunk Anansie“-Frontfrau Skin 2013 bewiesen hat. Beinahe im Sekundentakt wechselt sie bei ihren Auftritten die Bühnenseite, schwingt den Mikrofonständer durch die Luft springt blitzschnell aus der Hocke wieder empor. Da sind Fitness und Reaktionsschnelligkeit gefragt.
Die bedurfte es auch im Jahr 2010 beim Auftritt der Fantastischen Vier. Ein für mich ganz einprägsamer Stimmenmoment: 5000 tanzende Menschen in Einweg-Regenponchos. Die vier Stuttgarter Hiphoper brachten den Platz trotz sintflutartiger Regenfälle zum Beben. Auch im Fotograben waren wir vor der Nässe nicht geschützt. Egal, Weitwinkelobjektiv mit Schutzfilter auf das wasserdichte Kameragehäuse geschraubt, Ohropax rein und los geht’s.
Als dann auch noch Thomas D direkt in die Linse posiert, schlägt mein Fotografenherz bis zum Anschlag. Nach drei Songs müssen wir wieder raus – völlig in Ordnung. Schweiß- und Regentropfen haben sich vermischt, die Speicherkarte glüht, die Bildauswahl ist riesig, die Entscheidung um so schwerer. Nachdem die Fotos für die aktuelle Berichterstattung ausgewählt und bearbeitet sind, geht es zurück in die durchnässte Menge – feiern bis zur letzten Zugabe. Was für ein Abend!
Konzertfotograf: ein toller, beneidenswerter Job. Sollte man meinen, doch immer häufiger verderben einem Knebelverträge und Fotorestriktionen von Managements die Lust am Fotografieren. Das ist auch der Grund, weshalb unsere Redaktion– wie einige andere auch – 2009 entschied, ein Marktplatzkonzert nicht zu fotografieren. Das Management von Tracy Chapman hatte uns im Vorfeld einen nicht hinnehmbaren Vertrag zugeschickt. Darin sollten sich die Fotografen verpflichten, Chapmans Agentur sämtliche Aufnahmen für Werbezwecke kostenlos zur Verfügung zu stellen, während wir die Bilder nur einmal abdrucken dürfen und dann beerdigen müssen. Daraufhin war der Arbeitstag für mich bereits nach der Vorgruppe beendet – die Musiker haben schließlich ebenfalls nichts zu verschenken.
Zähe Verhandlungen
Auch in den kommenden Tagen werden die Fotografen es wieder nicht ganz einfach haben, um gute Fotos machen zu können. Nur den Verhandlungskünsten der Presseabteilung des Burghofs ist es zu verdanken, dass wir heute Abend bei Lionel Richie nicht wieder am Mischpultturm mit den langen Teleobjektiven stehen müssen, sondern aus dem Graben vor der Bühne arbeiten dürfen. Auch das Management von Melissa Etheridge verzichtet nach einem angekündigten Boykott unserer und weiterer Redaktionen auf die wahnwitzige Chapman- „Vertragsklausel“.
Das wird vor jedem Auftritt noch einmal durchgesagt inklusive der Ankündigung, dass Dylan im Falle einer Missachtung sein Konzert abbrechen werde. Der Deutsche Journalisten Verband fordert inzwischen ein „Berichterstattungsboykott“ und auch die Überlegungen unserer Redaktion gehen in diese Richtung.
In den heutigen Zeiten, wo jeder zweite Konzertbesucher ständig sein Smartphone in die Höhe hält, um meist verwackelte, unscharfe „Beweisfotos“ zu ergattern, anstatt entspannt der Musik zu lauschen, kann ich die Haltung der Künstler aber auch verstehen –jedoch nur was das Publikum betrifft. Wenn eine Handvoll professionelle Fotografen für zwei bis drei Lieder den Auftritt aus dem Graben dokumentieren, sollte das hingegen auch im Interesse des Künstlers sein.
Wir sind doch keine Paparazzi auf der Jagd nach möglichst unvorteilhaften Schnappschüssen, sondern Fotojournalisten, die die besondere Atmosphäre einfangen wollen und in emotionalen, ausdrucksstarken Fotos festhalten möchten. Schließlich spielen nicht jeden Tag Weltstars im beschaulichen Lörrach.